{Rezension} „One Exit – Verloren im Untergrund“ von darkviktory

Cover One Exit

Worum geht’s?

Ein entgleister, brennender Zug. Irgendwo im Londoner Tunnelsystem. Zusammen mit acht anderen Jungen kommt der 15-jährige Fabiu verwirrt zu Bewusstsein. Die Jungen kennen sich nicht und haben keinerlei Gemeinsamkeiten, bis auf eine Information: Sie alle sind Teil der Evakuierungsmaßnahme SEED, in der die britische Regierung Kinder und Jugendliche im Untergrund vor dem großen Krieg in Sicherheit bringt, um sie dort vor den atomaren Folgen des Dritten Weltkrieges zu schützen. Die Plätze – limitiert und nur für die Reichen und Mächtigen reserviert. 
 
Umso mehr verwundert es Fabiu, einen verwaisten rumänischen Jungen, sich selbst inmitten dieser Operation wiederzufinden. Als sich der Tunnel immer mehr mit Rauch füllt, beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit. Verzweifelt suchen die dort gefangenen Jungen nach Antworten. Warum und von wem wurden sie wirklich hergebracht – und wie kommen sie hier wieder lebend raus?
  
Sie kann nur noch eins retten: ein Ausweg! (© Loewe Verlag)

„One Exit“ – schon wieder so ein YouTuber-Buch?

Es gibt Bücher, auf die ich wirklich neugierig bin, entweder, weil sie von Autoren stammen, von denen ich sowieso blind alles kaufe oder weil die Kurzbeschreibung so richtig gut klingt. „One Exit“ von darkviktory, der vor allem durch seine YouTube-Animationsserie TubeClash bekannt geworden ist, fällt dabei in die zweite dieser Kategorien, denn hallo: Ein Setting in einem dystopischen London? I’m sold.

Allerdings: Wer mich kennt, weiß, dass ich ja bei Büchern von YouTubern/“Influencern“ mittlerweile immer etwas vorsichtig bin – aus Gründen. Doch was soll ich sagen: Ich bin von „One Exit“ sowas von überrascht worden – und zwar im absolut positiven Sinne.

Willkommen im dystopischen London von „One Exit“

Rein von der Prämisse klingt „One Exit“ erstmal nach einer klassischen Dystopie: Neun Jungen, die Teil einer Evakuierungsmaßnahme während des dritten Weltkriegs sind und dabei allerhand Abenteuer erleben und sich ganz nebenbei noch gegen korrupte, übermächtige Organisationen verteidigen müssen. So weit, so gut. Dass das Ganze in einem London der Zukunft spielt, war für mich schon mal das erste Kaufargument für „One Exit“, denn ich liebe London als Schauplatz und finde das eine schöne Abwechslung von den üblicherweise doch sehr Amerika-lastigen Dystopien, die mir sonst so in die Finger kommen.

Doch mal ganz abgesehen von der Location, finde ich das Setting im Londoner Untergrundsystem ziemlich gut, weil es der Geschichte noch mal eine ganz andere Art der Beklemmung verleiht. Wer schon mal in London mit der U-Bahn gefahren ist, weiß, wie weit die Stationen teilweise unter dem Boden liegen. Die Vorstellung, dort mit Fremden aufzuwachen, während man dank Brand und überfluteter Tunnel um sein Leben kämpfen muss, ist dann noch mal was anderes, als wenn es ein komplett ausgedachtes Setting wäre.

Spannung ab Seite 1

Als Leser wird man direkt ins kalte Wasser geworfen und hat kaum Zeit, so richtig in der Geschichte anzukommen. Es geht von Anfang an mit viel Action los, allerdings dauert es eine ganze Weile (bei mir waren es so knapp 70 Seiten), bis ich so richtig durch die Story und die Figuren durchgeblickt habe. Da direkt zu Beginn schon so viel passiert, aber kaum Hintergründe erklärt werden, bleibt „One Exit“ aber von Anfang an spannend, denn man möchte erfahren, was eigentlich hinter der Story und den Figuren steckt.

Stellenweise hatte ich das Gefühl, eine Mischung aus „The Maze Runner“ und „The Hunger Games“ zu lesen – allerdings weiß Gott keine Kopie einer dieser Reihen, sondern immer mit einer ganz eigenen Stimme. Die zieht sich auch durch das gesamte Buch und verleiht dem Ganzen noch mal mehr einen roten Faden, der bei der Fülle an Informationen und Figuren sonst vielleicht schnell verloren gegangen wäre.

Apropos Stimme: Wer die YouTube-Videos des Autors kennt, wird zumindest bei manchen Sätzen auch ganz deutlich dessen Stimme „hören“, denn dessen Art zu sprechen, lässt sich auch geschrieben wirklich nicht verleugnen. Mir hat das aber wirklich gut gefallen und bei mir für noch mehr Immersion in die Story gesorgt. Und sagen wir mal so: Ich kann mir „One Exit“ auch wirklich gut als Hörbuch vorstellen und würde mir das Hörbuch definitiv anhören.

„One Exit“: Mehr als schwarz/weiß gezeichnete Charaktere

Ich habe es oben schon einmal kurz angerissen: An sich klingen neun Figuren gar nicht nach so viel – man denke da nur mal an viele Fantasy-Reihen mit unzähligen Charakteren, bei denen man ohne Figurenverzeichnis gar nicht mehr durchblickt. Aber: Durch den ständig wechselnden Point-of-View hatte ich vor allem am Anfang Mühe, die einzelnen Figuren auseinanderzuhalten und mir zu ihnen eine Meinung zu bilden.

Wenn man erstmal in der Story drin ist, klappt es besser, doch für mich hätte es besser funktioniert, wenn die einzelnen Kapitel jeweils aus einer Perspektive geschrieben wären, anstatt den Point-of-View mehrmals innerhalb des Kapitels zu wechseln. Leider war nämlich nicht immer deutlich, welche Figuren ich gerade in der Geschichte begleite, was es im Umkehrschluss manchmal etwas schwer macht, dem Ganzen zu folgen.

Figuren mit Ecken und Kanten

Passend dazu ist es mir auch schwergefallen, mich mit irgendeiner der Figuren zu identifizieren. Ich habe, glaube ich, selten so sehr zwischen „Ich liebe diese eine Figur“ und „WTF, was ist deren Deal?“ geschwankt. Normalerweise finde ich immer recht schnell einen oder zwei Lieblingscharaktere, das hatte ich bei „One Exit“ gar nicht bzw. meine Meinung auch immer wieder umgeworfen .

Fand ich das beim Lesen noch seltsam, ist das jetzt im Nachhinein aber doch sogar etwas sehr Positives. Für mich heißt das nämlich, dass die einzelnen Figuren Ecken und Kanten haben, was sie weder zu 100 Prozent gut oder 100 Prozent Böse macht. Gerade diese Grauzone fehlt ja leider vor allem in Jugendbüchern oft, weil die Figuren meistens in Schwarz und Weiß eingeteilt werden, weil es viele Plotpoints einfacher umzusetzen macht. Dass das hier anders ist, finde ich sehr erfrischend.

Übrigens gibt es dazu passend keine Lovestory und ich feiere das so sehr. Es gibt weiß Gott genug Bücher dort draußen, in denen die Lovestory nur vorkommt, weil „sich das halt so gehört“. Hier hätte eine Lovestory meiner Meinung auch gar nicht gepasst. Und ganz ehrlich: Wir brauchen mehr Jugendbücher, die ohne Lovestory auskommen, denn dass das genauso gut funktioniert, beweisen Bücher wie „One Exit“.

„One Exit“: Ein Jugendbuch mit ernsten Themen

Laut der Verlagsseite des Loewe Verlags ist „One Exit“ ein Jugendbuch ab 14 Jahren. Während ich glaube, dass es durchaus für 14jährige funktioniert, bin ich mir aber recht sicher, dass jüngere Leser nicht die gesamte Breite an mehr oder minder offensichtlicher Gesellschaftskritik verstehen werden. Denn während „One Exit“ auf den ersten Blick eine actiongeladene Dystopie ist, verstecken sich in den 400 Seiten viele ernste Themen, darunter Missbrauch, Kritik an unserer Konsumgesellschaft oder der Art und Weise, wie die Menschen mit den Ressourcen auf der Erde umgehen.

Gerade diese Aspekte haben mich sehr positiv überrascht, denn ich hätte nicht mit dem Level an ersten Themen gerechnet. Natürlich fehlt es bei vielem davon an Detail; das kann ich bei 400 Seiten aber auch nicht erwarten. Doch auch ohne dass diese Themen bis ins Kleinste thematisiert werden, sind sie ein guter Anreiz, um darüber nachzudenken, und ich hoffe, dass etwas ältere Leser durch das Buch noch mehr für diese gesellschaftlichen und politischen Themen sensibilisiert werden.

Fazit: Absolute Leseempfehlung!

Okay, ich gebe zu, ich habe nach der Ankündigung zum Erscheinungstermins von „One Exit“ lange überlegt, ob ich es lesen will oder bei meiner „Ich lese keine Bücher von YouTubern / Influencer mehr“-Meinung bleiben sollte. Jetzt bin ich sehr froh, dass ich es dann doch bestellt habe, denn es hat mir wirklich gut gefallen und mich absolut positiv überrascht.

„One Exit“ ist actiongeladen, spannend, mit einer gehörigen Portion Gesellschaftskritik und einem Ende, das ich so niemals hätte kommen sehen. Alleine davon gibt es bereits eine absolute Leseempfehlung. Davon abgesehen ist „One Exit“ auch optisch ein absoluter Hingucker, denn es ist vom Autor selbst (farbig!) illustriert und ich liebe seinen Zeichenstil schon seit TubeClash-Zeiten. Insgesamt gibt es von mir für „One Exit“ ⭐️⭐️⭐️⭐️⭐️.

Cover One Exit (Bild: Loewe Verlag)Die Fakten zum Buch
Titel: One Exit – Verloren im Untergrund
Autor: darkviktory
Verlag: Loewe Verlag
Seitenzahl: 400 Seiten
Erscheinungsdatum: 11. März 2019

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